Nein, keine Sorge: in diesem Artikel geht es nicht um unseren Sonntagsbraten. Den gibt es bei uns sowieso nicht. Dennoch beginnt die Geschichte beim Essen.
Die Kinder und ich saßen nämlich gerade am Tisch, als ich ein Rascheln aus der Küche hörte. In der Gewissheit, eine unserer Hündinnen auf frischer Tat beim Ausräumen des Mülleimers zu erwischen, pirschte ich mich auf Zehenspitzen an, lugte um die Ecke und wollte gerade zum Sprung ansetzen, als ich es sah: nichts. Die Mülleimer-Schublade war geschlossen, kein Hund weit und breit. Seltsam.
Ich setzte mich wieder ans Essen, die Kinder lachten mich aus. Doch kurze Zeit später hörte ich es wieder: scharr, scharr, raschel, raschel…
„Psst, mal leise. Hört ihr das auch?“, fragte ich. Ja, sie hörten es auch und lokalisierten das Geräusch sogar: „das kommt aus dem Ofen, Mama“. Tatsache. Bei näherem Hinhören war es eindeutig: etwas scharrte im Ofenrohr. Mir wurde mulmig. Die Kinder fanden’s lustig. „Bestimmt ein Siebenschläfer“, „Oder eine Maus“, „Nein, eine Ratte“… „Ha, der Nikolaus“, überschlugen sich ihre Ideen.
Die Kombination aus Scharren und Rascheln ließ mich schließlich auch zu einem Einfall kommen: „Nein, ich glaube, wir haben es hier mit einem Vogel zu tun!“. Meine Tochter war sofort einverstanden: „Ja! Eine Taube“. Wie Schuppen fiel es mir jetzt von den Augen und in meinem Kopf setzten sich zwei Puzzleteile zusammen, deren Existenz mir bis jetzt noch gar nicht bewusst gewesen war. Ich hatte mich die letzten Tage immer wieder über eine Taube gewundert, die jedes Mal sehr verstört aufgeflattert war, wenn ich in unsere Einfahrt fuhr. Sie sah aus wie ein Teil unseres Turtelpärchens, das seit zwei Jahren in unserer Kastanie nistet. Vielleicht steckte ihr Partner jetzt in unserem Kamin fest und die Arme wusste nicht, wie sie ihm helfen konnte.
Zu dieser Vermutung passte auch die spätere Aussage meines Ältesten, als er vom Training wieder zu Hause war und ich ihm alles erzählt hatte: „also, ich höre dieses Geräusch schon seit ein paar Tagen“. Tja, danke auch für die Info!
Da es bereits Abend war, mein Mann erst sehr spät kommen würde und die Kinder dringend ins Bett mussten, konnte ich nichts mehr ausrichten und hoffte darauf, dass die Taube noch eine Weile durchhalten würde.
Am nächsten Morgen rief ich den Kaminfeger an. Er kam auch prompt, da er gerade zufällig in der Nähe war, doch zog er nach einer halben Stunde unverrichteter Dinge wieder ab. „Keine Chance. Im Keller ist sie noch nicht und am Ofenrohr ist keine Klappe. Man müsste es abmontieren, aber ich weiß nicht recht, wie, dafür fehlt mir das richtige Werkzeug. Außerdem habe ich gleich den nächsten Termin. Rufen Sie am besten Ihren Ofenbauer an.“
Der Ofenbauer war in Österreich bei einer Schulung und konnte natürlich aus der Ferne nicht helfen.
Und ich musste jetzt erst einmal meine Tochter zum Schwimmunterricht fahren. Badeanzug, Badekappe, Handtücher, Bürste, Badelatschen. Ab ins Auto und los. Unterwegs fiel mir Markus ein. Ja, der war jetzt mein Joker: top Handwerker und guter Freund. Sehr tierlieb und sozial obendrein.
Ich hatte Glück und erreichte ihn auf Anhieb. „Was, ein Vogel im Kamin? Komme sofort! Bis heute Abend ist der vielleicht tot. Das geht jetzt vor, muss mein Kunde verstehen.“
Soviel Mitleid für eine Taube konnte man wohl kaum von seinen Kunden erwarten. Das war Markus jedoch egal, er hatte nun eine wichtigere Mission, als den Parkettboden seines Kunden zu verlegen.
Beim Schwimmen gab es dann noch eine andere Aufregung: kaum waren die Kinder im Wasser und wir Eltern aus der Umkleide, ertönte der Alarm. Alle sollten das Gebäude räumen. Da das kleine Hallenbad in eine Schule integriert ist, fanden wir uns bald in wildem Gewusel wieder. Niemand wusste, was los war und alle redeten aufgeregt durcheinander. Kurz darauf ertönte auch schon die Sirene der Feuerwehrfahrzeuge. Einzelne Kinder fingen an zu weinen, die meisten fanden es total spannend und toll. Für die Feuerwehrmänner bot sich folgender Anblick: direkt vor dem Schulgebäude einige Schüler und LehrerInnen, die zum Teil auf sie zustürmten, dazwischen zwei völlig entnervte Damen in Neoprenanzügen, die wissen wollten, was eigentlich los war und ob sie nun wieder ins Wasser dürften. Schließlich sei den Kindern doch eiskalt! (Es hatte ca. 26 Grad, nur so am Rande). Am rechten Ende der Schule, in einer Gruppe eng zusammengepfercht, ungefähr 15 Kinder in Badekleidung mit ihren Eltern und den anderen beiden Schwimmlehrerinnen.
Nach 20 Minuten die Entwarnung: Fehlalarm. Alle Kinder, die noch da waren, durften zurück ins Wasser, der Kurs wurde fortgesetzt – ach nein, endlich begonnen.
Die Vogelrettungsaktion zu Hause war derweil in vollem Gange. Kurz bevor ich zurück ins Schwimmbad eilte, erreichte mich die Nachricht in Form eines Fotos per WhatsApp.
(Ich hatte noch schnell die Hunde ausgeführt und wurde dabei vom plötzlich einsetzenden Starkregen erwischt. Also rannte ich, die Mädels hinter mir herziehend, zum Auto zurück, ließ sie in ihren Korb springen und setzte mich kurz zum Ausatmen auf den Fahrersitz. Beim Blick auf die Uhr bemerkte ich, dass sich der Kurs schon wieder dem Ende neigte und eilte los.) Im Gebäude und somit im Trockenen angekommen, sah ich mir das Foto an: Der Vogel – in der Tat eine Taube! – saß auf Markus Hand und blickte keck in die Gegend. Es war ihm also gelungen: das
Flattertier war befreit und unversehrt!
Später erfuhr ich, dass er sie aus der Reinigungstür im Keller geholt hatte. Beim Kaminfeger war sie da noch nicht zu sehen gewesen.
Wie dem auch sei, es war schon wieder Abend und ein aufregender Tag ging glücklich zu Ende. Taube frei, Ruhe im Kamin – alles gut.
P.S.: Falls ihr auch mal ein Scharren im Ofenrohr hört: nicht verzagen, Markus fragen!
Oder hier nachschauen: https://www.ofen.de/blog/vogel-im-schornstein-was-kann-ich-tun.html


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